Weißseespitze-Nordwand am 26.06.2011
Für die zweite Hälfte unserer Trainingswoche suchten wir noch einen trockenen Fleck auf der Wetterkarte. Am Sonntag sollte es eigentlich im „Westen“ sonnig und trocken sein. Nachdem wir am Donnerstag noch mit Daniel und Alexandra über das Süd-Ost-Band auf den Leonhardistein gekrabbelt sind, meldete sich Raphi per Mail bei mir und schlug noch eine Trainingstour vor. Wir sollen uns mal Gedanken darüber machen und verabschiedete sich mit den Worten „… ich fahr morgen jetzt erst mal ins Kaunertal und bin ab Montag wieder da.“.
Das konnten wir so nicht stehen lassen – den Raphi über’s Handy nochmal abgefangen und Interesse bekundet. Wir sind mit dabei im Kaunertal – egal bei was! Kurz darauf haben wir das Auto mal wieder bis unter’s Dach mit Ausrüstung vollgepackt – ohne überhaupt zu wissen was Raphi vor hat.
Ines (unser menschliches Navigationssystem) lotst über den Fernpass und stellt fest, dass wir direkt durch Nassereith fahren. Das Wetter ist zu verlockend, als dass wir gleich direkt bis zum Gepatschhaus fahren.
Obwohl wir keine Ahnung hatten, welche Routen die Klettergärten in Nassereith so hergeben, standen wir kurz darauf schon am Kletterparkplatz. Auswahl gibt es genug. Die ersten „Baseclimbs“ im Sektor »Botanischer Garten« waren dann doch etwas zu leicht und eigentlich etwas, dass man bei einer vernünftigen Hochtour auch ohne Seil bewältigen müsste, aber zum Aufwärmen nicht schlecht. Zum Glück ist hier alles super ausgeschrieben und an einem Baum fanden wir dann auch kurze Routenbeschreibungen (Topos). Schnell sind wir hinüber zum Sektor »Eis am Stiel« gewechselt und haben da noch drei sehr schöne und dazu bestens abgesicherte Routen durchgezogen:
Echt haasisch (5a+)
Kattl’s Löcher (5b)
Goldfinger (5a+)
Die Vielzahl an Routen, die Lage und vor allem der griffige Fels haben uns sehr gefallen. Beginnender Nieselregen hat uns dann den Abschied etwas leichter gemacht. Ab ins Kaunertal.
Im Gepatschhaus eingecheckt. Gewartet bis Raphi mit Klaus, Dagmar und Kalli vom Training am Gepatschgletscher zurück kamen. Bestellung fürs Abendessen aufgegeben und mit zwei Weinflaschen im kalten Nebenraum verschwunden. Nach einer kurzen Tourbesprechung und paar lustigen Geschichten haben wir uns aber dann doch recht bald unter der Decke im Lager verkrochen.
Nachdem mal wieder ein paar Schnarcher im Lager waren, sind wir froh gewesen, dass die Nacht um 06:00 Uhr endlich vorbei war. Packen, Abstecher in den Waschraum, Frühstück und – welch Luxus (der auch ganz schön an den Geldbeutel geht) – mit dem Auto weiter über die Kaunertaler Gletscherstraße bis zum Gletscherrand auf 2.750m aufgefahren.
Von dem vorhergesagten »die Sonne zeigt sich den ganzen Tag« war noch nichts zu sehen. Super! … aber wo wir nun schon einmal dort waren. Unser Ziel war die Weißseespitze. Wie am Vorabend besprochen, wurden drei Zweierseilschaften gebildet (Raphi & Klaus, Dagmar & Kalli sowie Ines & mir) … u.a. um etwas schneller voranzukommen. Bei bescheidener Sicht suchten wir die Ideallinie durch die Nordwand.
Zunächst bei gutem Trittfirn, dann teils auch bei fast schon matschigem Schnee den direkten Weg nach oben angepeilt. Die einzige Blankeisstelle im unteren Wandabschnitt konnten wir geschickt umgehen und so blieb es bei einem „freien“ Durchstieg ohne lästiges Zwischensichern.
Das schwierigste am Aufstieg war dann, den Gipfel zu finden. Bei Dunst und Nebel standen wir bereits fünf Minuten am höchsten Punkt und vermuteten anhand unserer Höhenmesser, dass es auf jeden Fall noch etwas höher gehen müsste. Erst als der Wind das Gipfelkreuz enthüllte, wussten wir wo es langgeht. Anders als in der Karte eingezeichnet, befindet sich der „touristische“ Gipfel etwas süd-westlich unterhalb des höchsten Punktes.
Der Gipfel – eine kleine Felsinsel inmitten von Schnee – war seltsamerweise total vereinsamt und bot deshalb genug Platz zum Ausbreiten. Nach kurzer Gipfelbrotzeit und ein paar Fotos ging es aber dann doch schnell wieder an den Abstieg. Die eisigen Windböen machten die Sache doch eher ungemütlich.
Wir entschieden uns für den Westgrat (Felspassagen bei max. UIAA I) als Abstiegsweg. Aufgrund des noch reichlich vorhandenen Schnees haben wir aber nicht viel Fels gesehen und kürzten deswegen dann auch etwas über die Nordflanke ab. Unsere Variante führte uns direkt und steil hinab zum Weißseeferner. Bei der mittlerweile hereinbrechenden Schönwetterfront eine wahre Freude. Schöne Ausblicke sorgten dann doch für einen perfekten Ausklang der Tour.
+++ „nur“ 850 Hm auf knapp 5 km +++
Tom.
Hier noch ein paar Impressionen:
GPS-Track: 20110626_HT_Weisseespitze-Nordwand.gpx [maptype=G_SATELLITE_TYPE;]